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Es werden Posts vom 2017 angezeigt.

Silvester im Regen - Händels Feuerwerksmusik

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Als ich noch ein ganz kleines Froeken war, da war Silvester eines der coolsten Ereignisse im Jahreslauf und kam gleich hinter dem Hexenfeuer am Schmutzigen Donnerstag und dem Tag, an dem die   Kartoffeln eingefahren wurden und man nach Einbruch der Dunkelheit auf dem Feld sitzen und die Restkartoffeln im Feuer garen konnte. Man merkt schon: Ich hatte einen nicht unerheblichen Hang zur Pyromanie, was aber nicht ganz so schlimm ist, wenn man noch so klein ist, dass man die Kerze in der Martinslaterne nur anzünden darf, wenn Papa daneben steht und aufpasst, dass man nicht die ganze Papierlampe in Brand setzt. Jedenfalls gab es an Silvester Gäste, vorzugsweise mit Kindern in meinem Alter, wir durften Rauchbomben abfackeln und mussten nach dem Abendessen ins Bett, zum „Vorschlafen“. Kurz vor Mitternacht wurden wir dann geweckt und starrten vor dem Haus auf das Geknalle und Geflimmer im Nachthimmel, bis uns die Ohren schmerzten und sich an den Nasenhaaren Eiszapfen gebildet hatten. Da

Händel with care! Der Meister in der Nazizeit

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„Ich lese keine Märchenbücher mehr, ich bin schon groß!“ las ich neulich in einem Forum als Antwort auf die Frage, wer denn die Bibel gelesen habe. Die Antwort ist deshalb witzig, weil sie die Frage gleichzeitig beantwortet und nicht beantwortet. Nicht beantwortet, weil kein Mensch etwas über Märchenbücher wissen wollte, und die Bibel auch kein solches ist. Da scheint wohl jemand Geschichte mit Geschichten verwechselt zu haben (und fragt sich in der Schule im Geschichtsunterricht jedes Mal, wann denn endlich das Märchen von Rotkäppchen erzählt wird), denn genau das ist die Bibel: Ein Geschichtsbuch. Ein Geschichtsbuch, ein Gesetzbuch, ein Handbuch für den Umgang mit den irrsten Situationen. Vielleicht wird es einfach Zeit, das Ding umzubenennen: statt unter „Bergpredigt“ fassen wir die wichtigsten Tipps einfach unter dem Titel „Coole Alltagshacks, die Du gelesen haben musst“ zusammen und stellen die Sache ins Netz. Mal sehen, was dann passiert. Aber zurück zur Nicht-oder doch-

Tochter Dingsda freue Dich! Bach-Korrekturen zur Naziweihnacht

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Dass unsere ach so vertraut klingenden Weihnachtslieder während der Zeit des Dritten Reiches auch nicht das waren, was wir heute so vor uns hinsummen, während wir über den Weihnachtsmarkt schlendern, habe ich je bereits im letzten Blogpost erwähnt, aber was bei den Ochsen erlaubt ist, ist ja bekanntlich bei Jupiter noch lange nicht erlaubt. Oder war es umgekehrt? Auf jeden Fall gibt es bei Volksliedern und -Bräuchen zumindest keine Urheber- und Kunstrechtsstreitereien zu erwarten; bei dem, was im Allgemeinen unter „Kunst“ verstanden wird, hingegen schon. Sosehr mich mein Ästhetikerherz auch quält: Schleiche ich mich des Nachts mit einem Meißel ins Museum, um dem ungewaschenen Lockenkopf von Michelangelos David mal eben eine ordentliche Frisur zu stösseln, erwartet mich vermutlich Ärger. Wie aber sieht es aus, wenn ich nur ein paar Noten verschiebe, um diesen unsäglichen Tristanakkord endlich in ein klar erkennbares C-Dur zu verwandeln, und den ewigen Spekulationen

Na dann Halleluja! Weihnachtslieder zur Nazizeit

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Lange ist es her, in einer dunklen Winternacht, in einem einsamen Stall.... nein, Quatsch, das war eine andere Geschichte, die sich aber ganz wunderbar eignet, aufzuzeigen, wie schnell man sich in die Nesseln setzen kann, wenn man sich zu sehr mit höheren Wesen definiert. Das Anbeten unterschiedlichster Personen scheint uns im Blut zu liegen. Ob wir nun unsere Eltern, Kinder oder Partner vergöttern, umgerechnet 65 Euro für einen 12-türigen (wtf?!) Adventskalender ausgeben, der Konfetti, Aufkleber und Keksausstecher enthält, nur weil eine gewisse Youtuberin ihren Namen dafür verliehen hat, oder ob uns Sonntags im Gottesdienst ganz warm ums Herz wird, weil alles so überwältigend ist: Wir sind vermutlich ein Leben lang auf der Suche nach demjenigen, bei dem endlich alles gut wird, der uns versteht und der uns nie verlässt. Wen wir dabei in unser Herz lassen, hängt wohl von unserem Elternhaus und unserer Umgebung ab, aber eines scheint dabei ausgesprochen hilfreich zu sein: Musik.

Und Sonntags gehts zum Türken. Janitscharenmusik und Mozart in Gaza

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Seitdem der Herr Verratichnicht in mein Leben getreten ist, habe ich eine zwischenzeitlich vernachlässigte Angewohnheit wieder aufgenommen: Türkisch essen. Vor meinem Umzug nach Sachsen eine Selbstverständlichkeit, nachdem ich sowohl in London als auch in Stuttgart in Gegenden gewohnt hatte, in denen es von türkischen Supermärkten (und den dazugehörigen türkischstämmigen Mitbürgern) nur so wimmelte. Sie (die Mitbürger, nicht die Supermärkte) machten einen beachtlichen Teil meines Freundeskreises aus, mein ehemaliger Freund (selbst Kurde) besaß sogar einen entsprechenden Laden, so dass ich damals lebte wie die Made im Schlemmerland und mir auf meinem ersten Raubzug durch die Dresdner Supermärkte die Gesichtszüge entgleisten. WO waren all die Sachen, die ich mir täglich einverleibte? Wo waren die eingelegten Artischockenböden? Wo gab es gute Bakklava? Warum kosteten die Spitzauberginen ein Vermögen? Und warum bekam ich verwirrte Gesichter präsentiert, wenn ich nach Okraschoten f

Kriegswichtige Spottmusik? Wenn Musik eine Waffe ist

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Nachbarn und Musik, das ist so ein Thema, das Generationen von Menschen, die eigentlich friedlich nebeneinander herleben, oder einander sogar freundschaftlich zur Hand gehen könnten, zu erbitterten Feinden machen kann, ja mitunter Gerichtssäle füllt. Und das vermutlich seit der Erfindung der Klopfgeräusche oder der Singstimmen Wenn also Uga-Uga mit seinen Kumpels eine Sause veranstaltete und mit seiner Knochentrommel den Beat gab, während Nunu und Gaga lauthals sangen und mitklatschten, dann tat er gut daran, seinen Höhlennachbarn im Neandertal vorher darüber in Kenntnis zu setzen und um Erlaubnis zu bitten, sonst konnte dieser auf die Idee kommen, seine Keule einzupacken und ein bisschen mitzufeiern. Einen direkten Zusammenhang zu der Tatsache, dass   die meisten Schädelfunde aus dieser Zeit fragmentarisch sind, also hauptsächlich aus Splittern oder abgefallenen Unterkiefern bestehen, möchte ich an dieser Stelle nicht ziehen, das Problem der allabendlichen Privatdisko in